Liebe Leserin, lieber Leser
Das Thema Digitalisierung und Politik hatten wir ja eigentlich schon. Nun ist aber gerade aktuell das neue Jahrbuch «Qualität der Medien 2025» der Universität Zürich veröffentlicht worden und zeigt klar auf, dass immer weniger Menschen journalistische Medien nutzen, weniger über aktuelle Ereignisse wissen, weniger Vertrauen in die Politik haben und sich der demokratischen Gesellschaft weniger verbunden fühlen. Fast die Hälfte der Bevölkerung der Schweiz (46,6%, +0,7 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr) zählt zu den «News-Deprivierten», also Personen, die keine oder kaum Nachrichten nutzen – und wenn, dann hauptsächlich über Social Media.
Hat das Desinteresse mit der Digitalisierung zu tun? Offenbar schon. Die Digitalisierung hat zu einer grundlegenden Veränderung des Leseverhaltens geführt, da viele Menschen sich zunehmend über digitale Medien informieren, die schneller, interaktiver und oft gratis verfügbar sind. Die Verlage reagieren darauf mit digitalen Angeboten, um neue Leserschichten zu erreichen (und natürlich auch, um schwindenden Einnahmen zu begegnen).
Zugleich bieten kostenlose Online-Angebote einen neuen, breiteren Zugang zu Wissen und Bildung.
Alles halb so wild also? Ein Nationales Forschungsprogramm hat genau das untersucht und herausgefunden, dass die öffentlich-rechtlichen Medien eine zentrale Rolle dabei spielen, eine ideologisch diverse Informationslandschaft zu bewahren und demokratisches Vertrauen zu fördern. Effiziente digitale Angebote müssen daher gezielt mit politischer Bildung und einer integrativen digitalen Infrastruktur kombiniert werden, um allen Zugang und echte Teilhabe zu ermöglichen.
Die Schweiz steht damit an einem digitalen Wendepunkt ihrer Demokratie: Neue Technologien können die politische Teilhabe stärken und verbreitern, sind aber kein Ersatz für demokratische Werte, Vertrauensbildung und solide Informationskultur.
Bleiben wir dran!
Und nun wünsche ich Ihnen von Herzen schöne Herbsttage, lassen Sie die Blätter rascheln!
Herzlich,
Kristiane Vietze
Stiftungsrätin Think Tank Thurgau
- News-DeprivationFast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung nutzt 2025 kaum noch journalistische Nachrichten, sondern vor allem Social Media. Diese sogenannte News-Deprivation führt laut dem Jahrbuch Qualität der Medien 2025 der Universität Zürich zu geringerem Wissen über Politik und Gesellschaft, weniger Vertrauen in Medien und geringerer demokratischer Bindung. KI-Chatbots greifen stark auf journalistische Quellen zurück, ohne dass Medienhäuser entschädigt werden. Zugleich sinken Reichweite und Vielfalt der Medien, während Zahlbereitschaft für Online-News leicht steigt.
- Wie die Digitalisierung das Leseverhalten verändertDie Digitalisierung hat das Leseverhalten stark verändert: Printmedien verlieren an Bedeutung, digitale Formate dominieren. Menschen lesen nicht weniger, aber kürzer, schneller und selektiver. Texte müssen visuell, personalisiert und leicht erfassbar sein, um Aufmerksamkeit zu halten. Lesen dient zunehmend der schnellen Informationsaufnahme statt Entspannung. Kostenlose Online-Angebote verdrängen gedruckte Medien, bieten aber zugleich neuen, breiteren Zugang zu Wissen und Bildung.
- Gefährdet der Konsum von digitalen Informationen die Demokratie?Die digitale Transformation verändert die politische Information grundlegend. Jüngere Menschen informieren sich zunehmend online und über soziale Medien, auch wenn klassische Medien weiterhin wichtig bleiben. Digitalisierung birgt Risiken wie Fehlinformationen und Echokammern, bietet aber auch Chancen durch breiteren Informationszugang. Öffentliche Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, fördern Vertrauen und helfen, Desinformation zu korrigieren.
- Politische Teilhabe – Christoph Merian StiftungDie Schweizer Demokratie bleibt institutionell konstant, steht jedoch vor digitalen Herausforderungen. Während Technologien wie E-Voting Effizienz und neue Beteiligungsformen versprechen, droht eine digitale Kluft gesellschaftliche Gruppen auszuschließen – durch ungleichen Zugang, fehlende Kompetenzen oder mangelndes Vertrauen in digitale Systeme. Damit Demokratie auch digital funktioniert, braucht es umfassende Bildung, transparente Technologien, kulturelle Anpassung und föderale Experimente.
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