Liebe Leserinnen und Leser

Wie gehen Sie eigentlich mit all den Schreckens- und Unheilsnachrichten um, die täglich auf uns einprasseln?

Für mich ist das beispielsweise ein zentrales Thema in meiner beruflichen Tätigkeit. Als Medienpädagoge bereite ich ja an der Pädagogischen Hochschule unter anderem Studierende auf ihre künftige Tätigkeit als Lehrerinnen und Lehrer vor. Diese wiederum werden in wenigen Jahren eigene Schulklassen begleiten. Dabei formuliere ich eine klare Erwartung und sage: „Sie werden die Aufgabe haben, die Zukunftshoffnung Ihrer Schülerinnen und Schüler zu stärken.“

Wie machen wir das heute? Kaum informieren wir uns über die Aktualität, könnten wir verzweifeln. Kriege, Artensterben, Mikroplastik, Klimakrise, Kostenexplosion im Gesundheitswesen, … es hört nicht auf.

Als Reaktion wenden sich viele von Nachrichten ab. Das hilft allerdings nicht wirklich. Denn wir wissen ja: Nur weil wir die Nachrichten nicht nutzen, sind sie ja trotzdem da. Die Gletscher schmelzen, auch wenn wir die Augen schliessen. Und Kopf in den Sand hilft nicht gegen Mikroplastik im Meer.

Ähnlich hilflos ist blosses Schönreden im Sinne von „es ist doch angenehm, wenn es bei uns wärmer wird.“

Nein – so billig ist wirkliche Zuversicht nicht zu haben. Das ist die negative Botschaft. Die positive ist: Es gibt durchaus Gründe zu berechtigter Zuversicht.

Das beginnt beispielsweise damit, dass uns bewusst wird: Nachrichtenmedien wählen bevorzugt negative Nachrichten aus, weil man davon ausgeht, sie interessieren uns mehr. Das ist seit langem bekannt. Besonders befasst sich in den letzten Jahren die wunderbare deutsche Neurowissenschaftlerin Maren Urner mit diesem Thema. Empfehlenswerte Sommerlektüre ist beispielsweise ihr Buch „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“.

Wenn wir also in diesem Übermass mit negativen Nachrichten konfrontiert werden, dann ist das nicht, weil es die positiven nicht gäbe. Sondern es ist, weil die positiven viel weniger verbreitet werden. Das heisst dann halt: Wir müssen die positiven aktiv suchen. Dazu gibt es heute sogar eigene Portale, zum Beispiel „Good news – Täglich gute Nachrichten“ oder sogar ein eigenes Portal des ZDF zu „Good News“.

Der springende Punkt dabei ist: Diese positiven Nachrichten wollen nicht einfach gute Stimmung verbreiten, sondern sie ergänzen die negativen mit tatsächlichen Fakten. Sie vervollständigen damit unser Bild der Welt.

Seit langem mit solchen Themen befassten sich beispielsweise der Zukunftsforscher Matthias Horx oder der schwedische Arzt Hans Rosling. Während Rosling anhand unzähliger Fakten darlegte, wie sich die Welt in vielerlei Hinsicht in den letzten Jahrhunderten positiv verändert hat, weist Zukunftsforscher Horx auf aktuelle Chancen und positive Entwicklungen hin. Beide zeigen damit: Es geschieht sehr viel mehr Gutes, als wir uns in der Regel bewusst sind.

Genau in dieser Tradition steht auch die schottische Datenwissenschaftlerin und Wissenschaftsjournalistin Hannah Ritchie. Ausdrücklich nimmt sie die Sorgen heutiger Menschen zum Ausgangspunkt und fragt, wie es um ökologische Nachhaltigkeit einschließlich Klimawandel, Energieproduktion, nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft, Biodiversität, Luftverschmutzung oder Abholzung wirklich steht. Und sie belegt mit Daten: Es steht sehr viel besser um die Welt als viele sich bewusst sind.

Der entscheidende Unterschied zu billigen Schönrednern ist: Urner, Horx, Rosling, Ritchie verneinen nicht, dass wir tatsächlich mit grossen Problemen und Herausforderungen konfrontiert sind. Nein: Unsere Welt ist komplex. Künstliche Intelligenz, Klimawandel, Förderung von Biodiversität, erst recht kriegerische Auseinandersetzungen usw. sind riesige Herausforderungen, die uns beschäftigen müssten. Aber sie zeigen auf, dass wir heute erstens auch sehr viele Möglichkeiten und Werkzeuge haben, um diese Probleme zu lösen – und dass sich zweitens auch sehr viele Menschen und Organisationen mit grossem Engagement dieser Problemlösung widmen.

Das gibt wirklich begründete Hoffnung. Und genau mit dieser „begründeten Hoffnung“ befasst sich auch der langjährige Hoffnungsforscher der Universität St. Gallen Andreas Krafft. Dazu publiziert er regelmässig den „Hoffnungsbarometer“.

Vielleicht haben Sie in den kommenden Sommerwochen Lust, sich vertieft mit solchen positiven Nachrichten zu befassen, die unser Weltbild erst vervollständigen. Denn nur wenn wir selbst Zuversicht finden, können wir sie auch an unsere Kinder, unsere Schülerinnen und Schüler weitergeben. Und nur wenn wir neben den schwierigen auch die positiven Nachrichten wahrnehmen, gibt uns das die Kraft, uns selbst auch zu engagieren.

Mit hoffnungsvollen Sommergrüssen

Thomas Merz
Stiftungsrat Think Tank Thurgau

Portal des ZDF mit positiven Nachrichten.

Themen

Früher war alles besser? Nein, heute ist die Welt wohlhabender und gesünder. Das mit Zahlen zu beweisen, war das Anliegen des verstorbenen Hans Rosling. Im Buch «Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist» werden zahlreiche Fakten zusammengetragen, die diese Aussage erhärten.

Research, writing & data visualisations on how to solve the world’s largest problems

Website von Hannah Ritchie

Der Hoffnungsbarometers untersucht Vorstellungen der Menschen in Bezug auf die Zukunft und ihre Hoffnungen. Dazu gehört, wie Menschen aufgrund ihrer Erfahrungen und der aktuellen Ereignisse in der Welt die Zukunft wahrnehmen, welche Überzeugungen und Einstellungen sie dadurch entwickeln und welche persönlichen Erwartungen sich daraus ergeben.