Liebe Leserin, lieber Leser
KĂŒrzlich hatte ich das GlĂŒck zusammen mit meiner Gattin eine lĂ€ngere Reise nach Neuseeland zu unternehmen. Im Rahmen einer Auszeit wollten wir etwas anderes erleben. Naheliegend wĂ€re auch Australien gewesen, aber da hat es eine Tierwelt, die meiner Frau nicht behagt. New Zealand hat aber «no predators» und so kam ich, selbst völlig unvorbereitet, in Neuseeland an. An- und Abflug sowie Motorhome waren geregelt. Angespornt vom Stiftungsrat machte ich mich auf die Suche nach Unterschieden zu unserer Heimat. Etwas, was ich bei Reisen sowieso immer mache. Nein, Flugscham kommt bei Bildungsreisen bekanntlich keine auf đ, wohlwissend dass man extrem privilegiert ist, solche Reisen anzutreten. Jetzt aber gleich ein Disclaimer: Ich bin sicher, dass etliche Leser mehr von Neuseeland wissen als ich nach unserer Reise. Nein, es soll kein Schweiz Bashing sein und ich wandere auch nicht aus. Es war sehr spannend zu sehen, dass auch andere LĂ€nder ihren «Way of Life» zum Wohle der Bevölkerung auslegen, aber wie fasse ich das zugespitzt zusammen? «Die Schweiz zum halben Preis»
Die folgenden Texte sind von mir, die Statistik und dazugehörige Texte habe ich mit Hilfe von ChatGPT erstellt.
Wo liegt Neuseeland â was sind die Eckdaten im Vergleich zur Schweiz?
Auf der anderen Seite der Erde, 12 h Zeitunterschied. Um den Standort in in unsere Welt einzuordnen, kann man Neuseeland ĂŒber den Erdmittelpunkt spiegeln und man bekommt die untenstehende Karte. Neuseeland liegt quasi ĂŒber der iberischen Halbinsel, westlich von Frankreich in den Atlantik hineinragend. Der «nördlichste» Punkt der SĂŒdinsel liegt etwa auf dem Breitengrad von Lausanne.
Quelle: LĂ€nderdaten.info (via ChatGPT)
Was fĂ€llt auf? Rund 10mal weniger dicht besiedelt â wobei die Berge etwa denselben Anteil einnehmen. Das BIP entspricht etwa der HĂ€lfte der Schweiz. Der Rest ist Ă€hnlich. Die Staatsverschuldung liegt bei 44% NZ (9/24) vs 26% CH (2023). Beides im internationalen Vergleich tief.
Bei der Energie sieht das Bild wie folgt aus:
Bei der lokalen Energieerzeugung zeigt eine andere Darstellung folgendes Bild:
Teile von Neuseeland sind durch Vulkane entstanden, was den hohen Anteil der Geothermie erklÀrt.
Die folgende Darstellung zeigt die Handelsbilanzen:
Die Landwirtschaft ist in Neuseeland allgegenwÀrtig und der Exportschlager. Bei der nÀheren Betrachtung sieht dieses VerhÀltnis so aus:
Anmerkungen zu den VerhÀltnissen:
- Neuseeland hat eine deutlich höhere landwirtschaftliche NutzflĂ€che pro Kopf und produziert im Vergleich zur Schweiz ĂŒberproportional viele Milch- und Fleischprodukte.
- Besonders auffÀllig ist der grosse Unterschied im Schafbestand und die Anzahl an Schafen pro Kopf, was auf die zentrale Rolle der Schafhaltung in Neuseeland hinweist.
- Auch bei der Holzproduktion zeigt sich ein erheblicher Vorteil fĂŒr Neuseeland, was auf die umfangreichen ForstflĂ€chen und die Exportorientierung zurĂŒckzufĂŒhren ist.
Da beide LĂ€nder die Landwirtschaft GROSS schreiben, wollte ich das Thema Milch noch etwas prĂ€ziser durchleuchten. Die kĂŒnstliche Intelligenz teilte mir folgendes mit:
Sowohl Neuseeland als auch die Schweiz sind bedeutende Exporteure von Milchprodukten. Allerdings unterscheiden sich die exportierten Mengen und die Art der Produkte erheblich.
Neuseeland:
- Milchproduktion: Neuseeland produziert jÀhrlich etwa 21 bis 22 Millionen Tonnen Milch.
- MilchÀquivalent-Exporte: Fast 20 Millionen Tonnen dieser Milch werden in Form von Butter, Milchpulver, Molkepulver und KÀse exportiert.
Schweiz:
- Milchproduktion: Die Schweiz produziert jÀhrlich rund 3,5 Milliarden Liter Milch.
- Milchverwertung: Im Jahr 2020 wurden in der Schweiz etwa 98.750 Tonnen Bio-Milch zu KĂ€se verarbeitet.
- MilchĂ€quivalent-Exporte: Detaillierte Daten zum gesamten MilchĂ€quivalent der exportierten Produkte sind nicht direkt verfĂŒgbar. Allerdings ist bekannt, dass die Schweiz einen bedeutenden Anteil ihrer Milchproduktion in Form von KĂ€se und Schokolade exportiert.
Umrechnung in MilchÀquivalente:
Die Umrechnung von Milchprodukten in MilchĂ€quivalente hĂ€ngt von verschiedenen Faktoren ab, einschliesslich des Fett- und Eiweissgehalts der Produkte. Beispielsweise wird fĂŒr die Herstellung von 1 kg HartkĂ€se eine bestimmte Menge Milch benötigt, die als MilchĂ€quivalent bezeichnet wird.
Fazit:
Neuseeland exportiert einen erheblichen Anteil seiner Milchproduktion, hauptsĂ€chlich in Form von Milchpulver, Butter und KĂ€se. Die Schweiz hingegen verarbeitet einen bedeutenden Teil ihrer Milch zu KĂ€se und Schokolade, von denen ein Teil exportiert wird. Genaue Zahlen zum MilchĂ€quivalent der exportierten Produkte sind jedoch nicht vollstĂ€ndig verfĂŒgbar.
Jetzt bin ich «schlauer» đ
Was mir aufgefallen ist und sich bei einer Farmbesichtigung bestĂ€tigt hat, ist Folgendes: NZ betreibt trotz den immensen Produktionsmengen eine sehr extensive Landwirtschaft. StĂ€lle sind keine ersichtlich. Die KĂŒhe haben gegenĂŒber unseren LeistungskĂŒhen einen «handlichen» Euter, werden 1x tĂ€glich gemolken, sind ausschliesslich grasgefĂŒttert (im Winter Heu â geben dann aber massiv weniger Milch). Die Schweizer Kuh liefert rund 1.7x mehr Milch als die Artgenossen in NZ. Die Kuhherden wandern tĂ€glich in ein neues, frisches Feld. Die Schafe sind vorwiegend in den Voralpen/HĂŒgeln zu sehen. Grosse Herden sind sich selbst ĂŒberlassen. Kein Unterstand wie bei uns Pflicht. Aber friedlich grasend, ohne natĂŒrliche Feinde. Die Rinder- und Rotwildherden zum Fleischexport funktionieren gleich «Grass-fed».
Zusammenleben
Das Leben in Neuseeland verlĂ€uft gemĂ€chlich. Man nimmt sich Zeit fĂŒr einen Schwatz, es wird nicht gedrĂ€ngelt. Auf den Strassen wird 100km/h oder weniger gefahren. Das touristisch gemĂ€chliche Wohnmobil wird erst ĂŒberholt, wenn wĂ€hrend gefĂŒhlten 30 Sekunden der Wohnmobil-Blinker nach links gestellt und das Tempo auf 50 reduziert wurde. Dann fahren die aufgefahrenen Fahrzeuge unter Jubel vorbei. Der Zusammenhalt unter der Bevölkerung ist gefĂŒhlt höher, obwohl auch NZ eine sehr internationale Bevölkerungsstruktur hat. Die Bewohner kommen aus dem gesamten Commonwealth und von anderswo. Sie nehmen gegenseitig RĂŒcksicht. Statussymbole sind nicht ersichtlich. Bei der gefahrenen Geschwindigkeit sind auch keine PS starken Boliden notwendig. GemĂ€ss obiger Statistik gibt der NeuseelĂ€nder 3x weniger fĂŒr Fahrzeuge und 4x weniger fĂŒr Kleidung aus als der Schweizer. Die Autos sind neuerem Datums. Die klobigen Arbeiter/Outdoorschuhe werden vor dem Pub oder Supermarkt ausgezogen, um keinen Dreck innerhalb zu verursachen. Die Toiletten sind ĂŒberall sauber, oft geschlechterneutral. Somit braucht es auch keine gendergerechten zusĂ€tzlichen WCs. Das alles finde ich sympathisch.
Die Migration in die Arbeitswelt erfolgt nach einem Punktesystem. FrĂŒhestens nach 2 Jahren kann ein Permanent Resident Visa beantragt werden.
Hier zwei Artikel zum Thema:
- Preparing a visa applicationWebseite der neuseelĂ€ndischen Einwanderungsbehörde zum Bewerbungsprozess fĂŒr ein Visum.
- Nach Neuseeland einzuwandern wird schwierigerNZZ-Artikel vom April 2024: «Neuseeland ist ein beliebtes Einwanderungsland. Doch jetzt zieht die Regierung die Bremse. Einheimische sollen kĂŒnftig auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt werden.»
Ein GesprÀch mit einem Polizisten möchte ich noch erzÀhlen.
Wir sind mit unserem Wohnmobil in einem regionalen ProvinzstĂ€dtchen in die Einkaufsstrasse gefahren. Alles sauber mit Rabatten und Strassenverengungen. Es konnte links und rechts parkiert werden, grössere und kleinere ParkplĂ€tze. FĂŒr Wohnmobile trotzdem zu kurzâŠ.
Nach einem einminĂŒtigen Small Talk beantworte der Polizist meine erste Frage, ob wir korrekt parkiert hĂ€tten: «All fine, perfect». Auf die zweite Frage, was die Tafel «P60» bedeute, erwiderte er, dass wir dort eine Stunde parkieren dĂŒrfen. Wie wird das kontrolliert? «Self control» war seine Antwort. Auf mein Fragezeichen im Gesicht prĂ€zisierte er, dass die Zeiten durch eine stĂ€dtische Politesse kontrolliert werden. Sie malt mit Kreide einen Strich auf die Strasse und falls sie dann nach einer Stunde wieder vorbeikommt und wir immer noch da sind, gibt es eine Busse. Das ist Selbstkontrolle. FĂŒr mich sehr sympathisch.
Zweite Anekdote
Man fĂ€hrt mit 100 auf ein Provinznest zu. Das Dorf wird im Vorfeld angezeigt inklusiv geltender Höchstgeschwindigkeit (nicht generell 50 sondern individuell). NĂ€chste Tafel. Dorfeingang. Nach weiteren x hundert Metern ein Geschwindigkeitsmesser mit «grĂŒnen Daumen rauf» oder Anzeige «slow down». Wir haben keine Geschwindigkeitsradare gesehen. Bussengeldgeneration muss sekundĂ€r sein.
Fazit
Die Schweiz zum halben Preis. Es fehlt materiell an nichts. Das Staatswesen ist sicher nicht auf unserer «Höchstkultur» ausgebaut. Aber braucht man das fĂŒrs GlĂŒck? Es geht offenbar auch anders.
Beste GrĂŒsse und alles Gute zum neuen Jahr!
Hans-Jörg Schoop, Stiftungsrat Think Tank Thurgau
Januar 2025
PDF: «Neuseeland â Die Schweiz zum halben Preis»
Text dieses Newsletters als PDF zum Download (6 Seite).
Autor: Hans-Jörg Schoop, Stiftungsrat Think Tank Thurgau
Bildquellen
- Karte Neuseeland: reddit.com