Liebe Leserin, lieber Leser

Als Freizeitbeschäftigung lese ich ausgewählte Geschäftsberichte von Schweizer Unternehmen. Einer davon ist der Liftbauer Schindler. Wieso? Es ist Jahr für Jahr faszinierend zu lesen und zu sehen, was dieses Unternehmen weltweit mit seinen Produkten erschliesst. Die Bilder der neuen Infrastrukturanlagen sind imposant und zeigen mir immer wieder nachdrücklich, dass es mir im Thurgau als meinem Wohn- & Heimatkanton bestens gefällt, es mir an nichts fehlt, aber dass die wirtschaftliche „Post“ andernorts abgeht, sodass der Thurgau definitiv nicht der Nabel der Welt ist. Think global – act local. In der im Februar 25 publizierten Konzernübersicht 2024 schreibt Silvio Napoli, VRP, auf Seite 6 folgendes:

„Die Fakten sprechen für sich: Noch im Jahr 2008 war die europäische Wirtschaft um 1,5 Billionen US Dollar grösser als die der USA. Bis 2022, nur 14 Jahre später, hatte die amerikanische Wirtschaft Europa deutlich überholt und war fast ein Drittel grösser. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Wenn Frankreich – die zweitgrösste Wirtschaft der EU – heute den USA beitreten würde, wäre es in Bezug auf das BIP pro Kopf der ärmste Bundesstaat der Vereinigten Staaten. Wie konnte das passieren? Ganz einfach: Effizienz. Statistische Zahlen zeigen, wie seit der globalen Finanzkrise eine Produktivitätslücke zwischen den beiden Volkswirtschaften entstanden und seither immer weitergewachsen ist. Während Europa stagnierte, gewannen die USA die Oberhand, indem sie weiter hin in Innovation und Technologie investierten. Dies führte Jahr für Jahr zu Effizienzgewinnen. Genauer gesagt, verlagerten sich die Investitionen in den USA schrittweise von traditionellen Industrien hin zu Software und weiter zu künstlicher Intelligenz, während sich Europa im gleichen Zeitraum auf traditionelle Branchen fokussierte. Warum ist Effizienz so wichtig? Zu lange haben sich Unternehmen auf Preisanpassungen verlassen, um Ineffizienzen auszugleichen. Heute ist dies angesichts der Kombination von Inflation, schrumpfenden Märkten und Wettbewerbsdruck – ganz zu schweigen von der zunehmenden globalen Unsicherheit – kein tragfähiger Ansatz mehr. Unternehmen ignorieren Effizienz auf eigenes Risiko. Dabei ist und bleibt Effizienz der einzige Hebel, den sie wirklich selbst beeinflussen können.“

Diese Zeilen haben mich nachdenklich gemacht. Meine Wahrnehmung aus dem Alltag war schlicht anders. Es fehlt ja an nichts…. – das Hirn hat jedoch zu drehen begonnen, auch ohne die Wahlen in den USA. Wurden wir auch innerhalb einer Generation „durchgereicht“? Die gesammelten Daten für den Thurgau wollte ich ihnen nicht vorenthalten.

Grafisch dargestellt sieht die europäische Misere so aus – zusammengestellt mit ChatGPT. (siehe Bilder unten).

Das könnte uns ja an und für sich zufriedenstellen, wir sind eigentlich im Einklang mit den USA, was die Schweiz anbetrifft. Der Thurgau liegt mit USD 78,400 (2023) unterhalb des USA Wertes. 2008 war er mit USD 65,000 noch deutlich über der USA-Linie. Wenn man aber bedenkt, dass die Nationalbank zur Schwächung des Schweizer Frankens in der Euro Krise rund einen Schweizer Jahresumsatz verwendet hat, um die Vollbeschäftigung sicherzustellen und eine drohende Rezession zu verhindern, relativiert sich das Bild weiter. Die Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) im Kanton Thurgau ist seit 2011-22 um rund 15,000 (13%) gestiegen. Überproportional die öffentliche Verwaltung (15%), Erziehung/Unterricht (21%), Gesundheitswesen (32%), Heime (20%), Sozialwesen (37%). Zusammen akkumulierten diese Bereiche rund 40% des Stellenwachstums. Die Mittel waren offenbar vorhanden. Ob alle Finanzierungsstrukturen nachhaltig aufgebaut sind und die Ressourcen effizient eingesetzt wurden, wird sich zeigen.

Viele unserer offenbar bescheidenen Effizienzgewinne (in der Schweiz wie in Europa) wurden in gutgemeinten Regulierungen mit den entsprechenden Überwachungs- & Reportingauflagen wieder neutralisiert und streuten Sand ins Getriebe. Neben den verschlechterten Rahmenbedingungen (Stichwort: Energiekosten – Europa zahlt 3x mehr für Strom als Firmen in den USA) könnten auch Gründe sein, dass wir gegenüber anderen Regionen der Welt an Wachstum(skraft) einbüssten.

Kritisch wird unsere Wirtschaftspolitik von den weiteren Artikeln (Fragwürdige Interventionen der SNB / Expansionsdrang der öffentlichen Verwaltung) betrachtet. Reallohnsteigerungen können nur ausgeschüttet werden, wenn die Effizienz gesteigert wird. Wenn Sand im Getriebe ist, wird das Steuersubstrat nicht gefördert. Dazu passt der Schweizer Lohnindex – gemäss diesem stieg einzig in der öffentlichen Verwaltung die entsprechende Kennzahl sowohl Nominal wie Real.

Was gibt es zu tun? Das Nötige vom Wünschbaren unterscheiden und entsprechend handeln. Somit bleibt auch der Thurgau fit!

Wünsche einen „effizienten“ Tag.

Herzlichst

Hans-Jörg Schoop
Stiftungsrat Think Tank Thurgau

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